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Frage: Damit Entwicklungspolitik überhaupt nachhaltig wirken kann, müssen gegenläufige Politiken wie z. B. in der Handels- & Agrarpolitik vermieden werden. Kohärenz für Entwicklung erfordert neben guten Konzepten v.a. politischen Willen und Engagement zur Durchsetzung. Welche Konzepte hast Du und wie willst Du dich dafür einsetzen?
Antwort
Katrin Göring-Eckardt: Konzepte denkt sich nicht der oder die einzelne im stillen Kämmerlein aus, wir entwickeln sie als Partei gemeinsam und in einem transparenten Diskussionsprozess. Wir werden an vielen Stellschrauben drehen müssen und dabei überlegen, wie und auf welcher Arbeits- und Leitungsebene wir zukünftig politische Ressorts und Themenfelder so koordinieren, dass wir politisches Handeln kohärenter gestalten. Die Sojaproduktion, die in unserem Steak landet, zerstört die Natur und damit Lebensgrundlagen vieler Menschen in anderen Teilen der Welt, wer das eine fördert um dann wieder die Folgen zu bekämpfen ist wenig glaubwürdig. Die Durchsetzung einer solchen Kohärenz wird nicht leicht sein. Auch beim Koalitionspartner werden wir in einer rot-grünen Bundesregierung da nicht locker lassen dürfen, allen Partikularinteressen zum Trotz.
Renate Künast: Weltweit sind eine Milliarde Menschen chronisch unterernährt, obwohl es genug Lebensmittel für alle gibt. Beim Kampf gegen Hunger erleben wir ein andauerndes, massives Politikversagen: hemmungslose Spekulation mit Agrarrohstoffen und Böden, eine Vernachlässigung der Landwirtschaft in den betroffenen Ländern und eine internationale Handels- und Agrarpolitik, der die Grundbedürfnisse der Ärmsten egal sind. Das Recht auf Nahrung möchte ich ins Zentrum rücken. Dafür brauchen wir eine Gesamtstrategie, die nicht ab Abschottung, sondern auf faire Teilnahme am Weltmarkt setzt. Unsere Wirtschaft muss sich konsequent an der Bewahrung der globalen Lebensgrundlagen ausrichten. Der Kampf gegen den Klimawandel ist auch gute Entwicklungspolitik.
Ich kämpfe für die Agrarwende und eine nachhaltig-bäuerliche Landwirtschaft, wie sie auch der Weltagrarbericht empfiehlt. 9 Milliarden Menschen werden sich nicht mit einer industriellen, von Großkonzernen und Saatgutmultis beherrschten Landwirtschaft ernähren, die auf immer mehr Kunststoffdünger, Gentechnik, Pestizide und die einseitige Ausrichtung auf Fleisch setzt. Ich will Lebensmittel und Vielfalt, ich will eine Perspektive für die Bauern und den Erhalt ländlicher Regionen – weltweit.
Wir stellen in Europa die Weichen mit. Die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik muss Schluss machen mit dem subventionierten Export von Fleisch und Milchpulver, die lokale Märkte und Kleinbauern in Entwicklungsländern ruinieren. Wir setzen auch deshalb stark auf das Thema Massentierhaltung: für eine Bratwurst beanspruchen wir 6qm Futtermittelanbaufläche zum Beispiel in Südamerika – oft mit Gensoja. Ein Tierschutzlabel mit Aussagen zu Tierfutter und Haltungsform würde den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, mit dem Einkaufskorb Politik zu machen.
Alfred Mayer: Für diese Frage reicht mein Einblick und Überblick nicht aus.
Markus Meister: Also Entwicklungspolitik muss zuerst mal wirklich gewollt sein. Das bedeutet, es darf nicht wie heute immer zu viele Profiteure von der Schwäche der Anderen geben, damit wirklich etwas global getan wird. Das Interesse an instabilen Verhältnissen in Länder von denen man von Diktatoren und kriminellen Rebellenführern relativ günstig an Rohstoffe oder seltene Erden kommt, ist in der Wirtschaft relativ groß. Auch in Sachen Nachhaltigkeit und Erhaltung der Natur- und Tierwelt könnte man viel tun. Würden wir Länder mit großen Regenwald-Flächen so für den Erhalt dieses bezahlen, wie wir den Nahen Osten für das Öl entlohnen, wären wir weiter. Das gilt auch für die gerechte Bezahlung von Rohstoffen wie Kakao, Kaffee und seltenen Erden etc.! Das Geld muss aber beim Menschen, beim Arbeiter ankommen.
Claudia Roth: In der globalisierten Welt und angesichts der Intensivierung von Globalisierung in allen Lebensbereichen ist Politikkohärenz für Entwicklung eine zentrale Aufgabe und Herausforderung zugleich. Wir müssen unermüdlich und mit programmatischer Vorarbeit für ein radikales Umdenken werben. Dies betrifft unsere Lebensstile in reichen Industrieländern genauso wie unser politisches Handeln im Hinblick auf die sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaften. Um der Vision von globaler Gerechtigkeit und vom Schutz der natürlichen Ressourcen einen Schritt näher zu kommen, brauchen wir eine Entwicklungspolitik, die sich am Ziel einer menschenrechtsbasierten und nachhaltigen Entwicklung orientiert. Und wir brauchen vor allem eine Handels-, Agrar- und Wirtschaftspolitik, die unsere eigene Politik nicht konterkariert.
Um diesem Ziel näher zu kommen, bedarf es einiger weitgehenden Reformen und Umstrukturierungen auf verschiedenen Ebenen. Dazu gehört eine Reform und Stärkung der VN, der mit ihren weit verzweigten Strukturen eine zentrale Rolle zukommt. Wir wollen eine in entwicklungspolitischer Sicht neu justierte EU, die ihrer Rolle als internationaler Akteur gerecht wird und sich für den Schutz der natürlichen Ressourcen, für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Frieden stark macht. Auf der Ebene nationalstaatlicher Politik wollen wir einen kohärenten Ansatz in der menschenrechtsbasierten nachhaltigen Entwicklungspolitik, welche die vorhandenen Ressourcen zusammenbringt und die weltweiten Krisen zusammen denkt. Probleme und Herausforderungen der weltweiten Entwicklung lassen sich nicht nach unseren Behördenstrukturen zerlegen. Wenn das Ziel eine effektiv koordinierte Entwicklungspolitik ist, darf es keine Erbhöfe in den Behörden, Ministerien und in der Verwaltung geben.
Franz Spitzenberger: Dieses Thema gehört mich mit Fachleuten diskutiert. Erst nach dem Hören von verschiedenen Modellen kann ich mir ein Bild machen, was richtig und falsch wäre. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich keinerlei Informationen und demnach keine Meinung.
Jürgen Trittin: In der heutigen Zeit hängen globale Risiken wie Klimawandel, Armut, Ressourcenkonkurrenz und Aufrüstung miteinander zusammen und bedingen einander. Nur kohärente Anstrengungen in der Handels-, Agrar-, Umwelt- und Rohstoffpolitik, aber auch der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik wie auch der Sicherheitspolitik ermöglichen den Umgang mit globalen Risiken und Krisen. Dazu gehört ein gerechteres und reguliertes Finanz- und Bankensystem ebenso wie eine transparente und ökologische Handels- und Investitionspolitik. Die Maßnahmen gegen den Klimawandel müssen endlich verstärkt und das 2-Grad-Ziel vor allem von den Industrieländern konsequent verfolgt werden. Schwarz-Gelb ist hier wieder mal einer der größten Bremser. Aber auch die unsinnigen Agrar-exportsubventionen hemmen eine nachhaltige Entwicklung in vielen Ländern, deshalb muss damit endlich Schluss sein. Außerdem ist es höchste Zeit für eine reformierte Flüchtlings- und Migrationspolitik. Abschottung und Ausgrenzung treten wir entschieden entgegen.
Ich glaube nicht daran, dass es einen Hebel gibt, um mehr Kohärenz herzustellen. Die derzeitigen Inkohärenzen sind Ausdruck widerstreitender - oft mächtiger -Interessen. Diese lassen sich nicht durch Veränderungen von Ressortzuschnitten aus der Welt schaffen.
Mehr Kohärenz gibt es also wie jede Form guter Politik vor allem durch starke Argumente, kluge Bündnisse und hohe Überzeugungskraft. Sinnvoll wäre es darüber hinaus, Ort der ressortübergreifenden Zusammenarbeit - wie z.B. bei der zivilen Krisenprävention - zu stärken.
Werner Winkler: Zu diesem Themenfeld habe ich noch keine Meinung, die sich in Worte fassen ließe. Deshalb würde ich hier im Ernstfall auf die Experten und deren Ideen hören und mit ihnen diskutieren. Klar ist aber auch mir als "Hobbypolitiker", dass es nicht so bleiben kann wie jetzt und wir mit manchen Entscheidungen viel Schaden anrichten, sowohl auf der Wirtschaftsebene als auch in der Entwicklungspolitik. Meine Erfahrung aus anderen Bereichen ist, dass es viel Sinn macht, nach gelingenden Beispielen zu suchen, sie daraufhin zu analysieren, warum sie so gut funktionieren und dann das "Erfolgsrezept" auf andere Bereiche zu übertragen. So würde ich auch hier vorgehen.
Peter Zimmer: Wir fangen bei uns selbst in Deutschland mit einer ökologischen Agrarwende an und müssen bewirken, dass Landwirte wieder wirklich Nahrungs-und Futtermittel für unser Land anbauen. Also weg mit der Förderung durch Agrarprämien und Vergütungen (wie Navaro) für eine umweltschädliche, uneffektive Intensivlandwirtschaft, die auf Monokulturen, Biogas und Biosprit setzt und zugleich Importe von Agrarprodukten nötig macht, um uns dann aufzuregen, wenn es gentechnisch verunreinigt ist.
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